
EBS Europa Institut präsentiert in Brüssel Thesenpapier zu Bürokratiekosten
Konkrete Hebel für eine smartere Regulierung in Europa

Bürokratie kostet den deutschen Mittelstand jährlich rund 61 Milliarden Euro und bindet sieben Prozent seiner Arbeitszeit – ohne unmittelbare Wertschöpfung. Zu diesem Ergebnis kommt das neue Thesenpapier des Europa Instituts der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, das heute in der Vertretung des Landes Hessen bei der Europäischen Union in Brüssel vorgestellt wird. Die Untersuchung zeigt auf, wie sich aus Unternehmens- und Verwaltungsperspektive komplexe regulatorische Anforderungen herausbilden und welche Faktoren dazu beitragen, dass Bürokratieaufwände ihren ursprünglichen Zweck überlagern.
Statt eine pauschale Reduzierung von Regeln zu fordern, analysiert das Papier, unter welchen Bedingungen Regulierung tatsächlich Wirkung entfaltet – nämlich dann, wenn Informationspflichten nachvollziehbar sind, digitale Prozesse praktikabel umgesetzt werden können und rechtliche Anforderungen mit dem tatsächlichen organisatorischen Aufwand korrespondieren. Bürokratiekosten entstehen dort, wo diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, und führen zu Verzögerungen, Ressourcenbindung und sinkender Standortattraktivität.
Einen zentralen Impuls zur politischen Einordnung liefert Günther H. Oettinger, ehemaliger EU-Kommissar, Präsident der EBS Universität und Leiter des EBS Europa Instituts. Er hält in Brüssel die Keynote „Smart Regulation – Wirtschaft zwischen Regulierung und Eigenverantwortung“ und zeigt auf, welche Rahmenbedingungen es braucht, damit Regulierung Innovation ermöglicht, statt sie auszubremsen. Die im Thesenpapier formulierten Erkenntnisse machen deutlich, dass Bürokratie nicht nur als Folge einzelner Vorgaben zu verstehen ist, sondern als Ergebnis struktureller Wirkmechanismen, die sich gezielt steuern lassen.
Bürokratie als Steuerungsaufgabe
Die Expert Advocacy Platform, ein Zusammenschluss von Unternehmen verschiedener Branchen unter wissenschaftlicher Begleitung des Europa Instituts, analysiert dafür zehn zentrale Beobachtungsfelder – von der Interaktion zwischen Rechtsrahmen und Technologie über die Messbarkeit von Erfüllungsaufwand bis hin zu Fragen digitaler Infrastruktur. Die Erkenntnis: Bürokratiekosten sind weder zufällig noch zwangsläufig, sondern das Ergebnis bestimmter Strukturelemente moderner Regulierungssysteme. Ihre Steuerung ist damit ein strategisches Gestaltungsproblem – nicht lediglich ein administratives.
„Die Art und Weise, wie Bürokratie organisiert ist, ist heute einer der entscheidenden Wettbewerbsfaktoren, betont Prof. Dr. Diane Robers, Leiterin des Europa Instituts. „Das eigentliche Problem ist nicht die Existenz von Regulierung, sondern die Ausgestaltung, die die Realitäten der Unternehmen berücksichtigt. Sobald bürokratische Kosten als messbare Größe anerkannt sind, wird eine Kontrolle möglich.“
Vergleichende Perspektive
Die Studie greift hierzu nationale und internationale Forschungsergebnisse, Best-Practice-Beispiele und Indikatoren wie das Ease-of-Doing-Business-Ranking, digitale Verwaltungsmodelle oder Ansätze zur Wirkungsanalyse auf. Auf Basis dieser Vergleiche wird deutlich, dass Unterschiede in der administrativen Architektur, der Datennutzung und der regulatorischen Zieldefinition maßgeblich zur Divergenz von Bürokratiekosten beitragen.
Hessen setzt Impulse auf EU-Ebene
Die Vorstellung des Papiers findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Sounding Board konkret“ statt – einer Initiative des Landes Hessen, das Bürokratieabbau auch auf europäischer Ebene aktiv vorantreibt. Hessen hat 2024 als erstes Bundesland das „Sounding Board für die Wirtschaft“ in Brüssel etabliert, um Perspektiven aus Unternehmen, Verbänden und Wissenschaft unmittelbar in EU-Regulierungsvorhaben einzubringen.







