
Neue EBS Studie: Das Influencer-Dilemma
Eine neue Studie der EBS Universität für Wirtschaft und Recht zeigt, dass der Weg zum Online-Erfolg auch Risiken birgt.

Selbstverwirklichung, Sichtbarkeit, finanzielle Unabhängigkeit: Influencer:innen gelten vielen als Prototypen der digitalen Freiheit. Doch der Alltag hinter der Kamera ist oft weniger glamourös, als es auf Social Media scheint. Eine neue Studie der EBS Universität für Wirtschaft und Recht zeigt, dass der Weg zum Online-Erfolg auch Risiken birgt – psychische Belastung, Abhängigkeit und Identitätskonflikte. Je größer die Reichweite, desto geringer oft die gefühlte Selbstbestimmung. Die Autor:innen sprechen von einem strukturellen „Influencer-Dilemma“, das Karriereambitionen mit persönlichen Grenzen kollidieren lässt.
Das Forschungsteam rund um Dr. Katja Spörl-Wang, Prof. Dr. Franziska Krause und Prof. Dr. Sven Henkel führte zwischen 2022 und 2023 eine achtmonatige qualitative Interviewstudie mit 31 europäischen Lifestyle-Influencer:innen durch – von Nano- bis Mega-Creators mit bis zu 5,5 Millionen Followern. Die rund 29 Stunden Material wurden inhaltlich-thematisch ausgewertet und durch historische Social-Media-Daten ergänzt. Herausgekommen ist ein theoretisch fundiertes Lebenszyklusmodell, das vier typische Karrierephasen, drei Übergänge und verschiedene Zukunftsszenarien beschreibt – von kontinuierlichem Wachstum über Stagnation bis zum bewussten Ausstieg.
Das „Influencer-Dilemma“ – Wenn die Community zur Bürde wird
Ein zentraler Befund der Studie: Wachsende Reichweite bedeutet nicht automatisch mehr Freiheit – im Gegenteil. Viele der Befragten erlebten den digitalen Erfolg zunehmend als Einschränkung. Sie berichteten von der Angst, den Erwartungen der Community nicht mehr zu genügen, von innerem Druck zur Dauerpräsenz – und vom Gefühl, als Mensch hinter dem Content unsichtbar zu werden.
„Ich frage mich manchmal: Existiere ich noch, wenn ich nicht poste?“, beschreibt ein:e Interviewpartner:in mit über drei Millionen Followern die emotionale Belastung, die mit dem ständigen Online-Sein verbunden ist.
Das Forschungsteam identifizierte fünf paradoxe Motivationsmuster, die zu Beginn der Karriere als Antrieb dienen – sich im weiteren Verlauf jedoch oft in Blockaden verwandeln:
1. Positiver Antrieb: Zugehörigkeit; Kipppunkt/Dilemma: Verlust echter Beziehungen, Angst vor Hate
2. Positiver Antrieb: Prestige & Fame; Kipppunkt/Dilemma: Druck zur Selbstoffenbarung, Kontrollverlust
3. Positiver Antrieb: Selbstverwirklichung; Kipppunkt/Dilemma: Identitätserschöpfung durch Dauerpräsenz
4. Positiver Antrieb: Freiheit; Kipppunkt/Dilemma: Anpassung an Plattformregeln & Follower-Erwartungen
5. Positiver Antrieb: Finanzieller Erfolg; Kipppunkt/Dilemma: Zukunftsangst & monetäre Abhängigkeit
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Beruf des Influencers nicht einfach nur ein Job ist – es ist ein komplexer, sich entwickelnder Beruf, der von Paradoxien und persönlichen Dilemmata geprägt ist“, erklärt Prof. Dr. Franziska Krause, Professorin für Marketing & Customer Insight an der EBS Universität.
Relevanz für Wirtschaft, Gesellschaft und junge Creator
Die Ergebnisse haben weitreichende Implikationen – sowohl für die berufliche Praxis als auch für den gesellschaftlichen Diskurs.
- Marken und Agenturen sollten die jeweilige Karrierephase von Influencer:innen stärker berücksichtigen, um nachhaltige Partnerschaften aufzubauen.
- Für junge Creator:innen ist es wichtig, frühzeitig über mentale Gesundheit, Zielklarheit und Exit-Szenarien nachzudenken.
Der Beitrag der EBS Forscher:innen liefert somit nicht nur ein neues theoretisches Fundament für die Influencer-Forschung, sondern schafft auch Bewusstsein für die Herausforderungen digitaler Sichtbarkeit.
Publikation
Die vollständige Studie ist erschienen im Journal of Business Research:
Spörl-Wang, K., Krause, F., Henkel, S. (2025): A life cycle framework of social media influencers and the influencer’ dilemma, Journal of Business Research, Volume 199, https://doi.org/10.1016/j.jbusres.2025.115459