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EBS Coaching & Leadership Conference: Peer-Coaching Programme für berufstätige Eltern

30.06.2023

Am 07. und 08. Juli 2023 wird die EBS Coaching & Leadership Conference stattfinden. Eine der Top-Speaker ist Dr. Nannette Reuther. Im Interview gibt sie erste Einblicke in ihr Vortragsthema.

EBS: Sie werden als Speakerin bei der EBS Coaching & Leadership Conference am 07. und 08. Juli mit dabei sein. Das Thema, worüber Sie sprechen werden, lautet: „Peer-Coaching Programme für berufstätige Eltern - Innovative Konzepte zur Talentbindung anhand eines Praxisbeispiels bei Philip Morris International. “Worauf können sich die Besucher*innen dabei einstellen und freuen?

 

Dr. Nannette Reuther: Die Teilnehmer:innen können sich darauf freuen, einen innovativen Ansatz kennenzulernen, der Unternehmen und Führungskräfte nachweislich dabei unterstützt, die Verweildauer von Mitarbeiter:innen im Unternehmen zu erhöhen. Durch Peer-Coaching positionieren Unternehmen sich als attraktiver Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt und auch firmenintern. Coaching kann berufstätige Eltern sowohl in ihrer Rolle als Eltern als auch als Mitarbeiter:innen positiv und nachhaltig unterstützen. Weiterhin bietet die Ausbildung von firmeninternen Peer-Coaches diesen eine Möglichkeit an, neue Fähigkeiten zu erwerben und diese anzuwenden.

 

Viele Firmen führen im Rahmen von Diversity & Inclusion (D&I) oder Diversity, Equity & Inclusion (DEI) verschiedenste Massnahmen durch, ohne den erwünschten Erfolg zu erzielen. Mitarbeiter:innen für das Unternehmen als Arbeitgeber zu begeistern und im Unternehmen zu halten ist inzwischen eine der grössten Herausforderungen. Besonders schmerzt der Abgang von Mitabeiter:innen durch die Gründung oder Erweiterung ihrer Familie. Viele von ihnen wissen nicht, wie sie Beruf und Familie unter einen Hut bekommen sollen. In Deutschland sind 86% aller Arbeitnehmenden Eltern.

 

Wer hört diesen Menschen zu, nimmt Ihre Sorgen und Wünsche ernst? Wie bekommen sie ein Sprachrohr im Unternehmen? Was können sie selbst machen, um auf sich Acht zu geben und gleichzeitig ihre beruflichen und privaten Ziele und Wünsche nicht aus den Augen zu verlieren. Diesen spannenden Fragen werden wir nachgehen und zeigen, was Coaching hier bewirken kann.

Um Antworten zu finden und nachhaltige Angebote zu schaffen, braucht es eine offene Gesprächskultur. Diese wiederum setzt einen sicheren Raum und Ort voraus, um sich eingehender Gedanken zu machen und einen Austauschpartner hierfür.

Hier greift das Peer-Coaching Programm von parents@work. Wir bilden Coaches im Unternehmen aus, welche für ihre Kolleg:innen als Coach zur Verfügung stehen. Damit wird Coaching unabhängig von Position und Verweildauer im Unternehmen ALLEN Mitarbeiter:innen im Unternehmen zugänglich gemacht.

 

Im Rahmen der Coaching-Konferenz werden wir daher vorstellen, wie Coaching ein wirksames und auch messbares Instrument im Rahmen des D&I Ansatzes eines Unternehmens sein kann. Wir werden die Mission vorstellen, welche uns bei parents@work leitet, unser Peer-Coaching Programm sowie eine Fallstudie eines Klienten. Frau Laura Alvarez, Global Diversity & Inclusion Lead von Philip Morris International, wird zugeschaltet sein und von den bei PMI gemachten Erfahrungen berichten. Die Besucher:innen werden hören, was bei PMI alles erreicht wurde und insbesondere eben, wie eine Peer-Coaching-Programm in Unternehmen eine Kultur schafft, die das Mitarbeiterengagement positiv beeinflusst, die Teamleistung erhört und Talente bindet. Abschließend werden wir betrachten, wie jeder sich zu diesem Thema engagieren kann.

 

 

 

EBS: Sie arbeiten als Partner bei dem Unternehmen parents@work, welches Coachingprogramme für Unternehmen entwickelt. Durch diese werden Mitarbeiter:innen und Führungskräfte dabei unterstützt, Elternschaft und Arbeit langfristig erfolgreich miteinander zu verbinden. Welchen wiederkehrenden Herausforderungen und Mustern begegnen Sie bei Ihren Coachings immer wieder?

 

Dr. Nannette Reuther: Als Coach begegne ich immer wieder verschiedenen Herausforderungen und Mustern, mit denen Eltern konfrontiert sind, die Arbeit und Familie miteinander vereinbaren wollen. Einige der häufigsten Probleme und Muster sind:

  1. Zeitmanagement: Eltern haben oft Schwierigkeiten, ihre Zeit effektiv zu planen und Prioritäten zu setzen. Sie müssen zwischen Arbeit, Kinderbetreuung und Haushalt jonglieren und finden es oft schwer, eine ausgewogene Balance zu finden. Statt den Alltag bewusst zu gestalten und zu erleben, wird dieser eher bewältigt.
  2. Schuldgefühle: Viele Eltern fühlen sich schuldig, wenn sie Zeit von der Familie fernbleiben, um zu arbeiten, oder umgekehrt, wenn sie zu Hause bleiben und nicht genug Zeit für ihre Arbeit haben. Es kann schwierig sein, diese Schuldgefühle loszulassen und sich selbst zu erlauben, Zeit für beides zu haben.
  3. Unterstützung: Eltern, insbesondere Mütter, haben oft das Gefühl, dass sie alles allein machen müssen und keine ausreichende Unterstützung von ihrem Partner oder anderen Familienmitgliedern erhalten. Dies kann zu Überlastung und Stress führen. Aus meiner Erfahrung weiss ich, welche positive Wirkung es haben kann, wenn gerade Mütter sich von diesem Bild und Erwartungsdruck, alles selber machen zu müssen, lösen können.
  4. Karrierewachstum: Eltern können Schwierigkeiten haben, ihre Karriereziele zu erreichen, während sie auch die Bedürfnisse ihrer Familien berücksichtigen. Sie verzichten häufig auf Karrieremöglichkeiten oder gehen Kompromisse ein, ohne sich vorher ausreichend mit anderen Handlungsoptionen sowie den vielfältigen Konsequenzen ihrer Entscheidungen auseinandergesetzt zu haben.
  5. Sichtbarkeit: Eltern nehmen sich häufig nicht die Zeit, um ein Netzwerk aufzubauen und zu pflegen, um in ihrem Unternehmen (und vielleicht auch ausserhalb dessen) sichtbar zu sein. Auch die Fort- und Weiterbildung kommt häufig zu kurz. In der Regel werden all diese Aktivitäten wegrationiert, obwohl genau diese für die Karriere so wichtig sind.
  6. Flexibilität: Eltern benötigen flexible Arbeitsbedingungen, um ihre Familienbedürfnisse zu erfüllen, z.B: Homeoffice, Teilzeitarbeit oder flexible Arbeitszeiten. Es kann jedoch schwierig sein, solche Arbeitsbedingungen zu finden oder zu verhandeln.
  7. Stress: Eltern können sich gestresst fühlen, wenn sie versuchen, Arbeit und Familie unter eine Hut zu bringen. Der Stress kann sowohl physisch als auch psychisch sein und zu Burnout oder anderen gesundheitlichen Problemen führen.
  8. Unkenntnis: Vor der Geburt des ersten Kindes erahnen Eltern oft nicht, wie tiefgreifend die Veränderungen sein werden. Geschmiedete Pläne erweisen sich oft als unrealistisch oder zu optimistisch gedacht. Die Enttäuschung ist gross, wenn der Zeitplan für den Berufseinstieg nach dem Mutterschutz und ggf. der Elternzeit nicht so klappt wie geplant.

 

Diese Herausforderungen und Muster können in unterschiedlichen Ausprägungen und auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten. Eltern haben oft ihre sehr individuellen Herausforderungen. Als Coach motiviere ich Eltern, ihre individuellen Lösungen zu entwickeln, die ihren speziellen Bedürfnissen und Wünschen entsprechen und ihnen helfen, eine ausgeglichene Balance zwischen Arbeit und Familie zu finden.

 

Als Partner bei parents@work unterstütze ich Unternehmen darin, Coachingangebote im Unternehmen aufzubauen und durch interne Mitarbeiter:innen in Form von Peer-Coachings anzubieten. Weiterhin bieten wir auch Peer Coaching-Circles für Führungskräfte an sowie Workshops mit Elternnetzwerken, sogenannten ERGs (Enterprise Resource Groups), in denen sich berufstätige Eltern vereinen.

Dabei gilt es auch, die unterschiedlichen Phasen der Elternzeit zu berücksichtigen. Eine besondere Herausforderung ist, dass immer wieder neu ausbalanciert werden muss und es keine Balance dauerhafter Natur ist. Balancieren ist eine fortwährende Aufgabe von Eltern. Umso wichtiger ist es, Eltern nicht nur während der Schwangerschaft und/oder direkt nach der Rückkehr aus der Elternzeit zu unterstützen, sondern dass dies vielmehr ein fortwährender Prozess ist.

 

 

EBS: Sie sind sechsfache Mutter und standen selbst an einem Punkt in Ihrem Leben, an dem Sie Ihr ehemaliger Arbeitgeber gezwungen hat, sich gegen oder für die Familie zu entscheiden. Daraufhin haben Sie das Unternehmen verlassen. Was muss sich in Unternehmen ändern, damit Frauen und Männer mit Kindern, nicht vor dieses Ultimatum gestellt werden?

 

Dr. Nannette Reuther: Ich musste mich nicht wirklich für oder gegen meine Familie entscheiden. Das war auch sicher nicht die Absicht meines Arbeitgebers. Es fühlte sich einfach so an, denn es gab keine Gesprächskultur für die Themen, welche berufstätige Eltern betreffen. Es gab auch schlichtweg keine Rollenbilder und damit kaum Verständnis für die Phase, in der ich mich gerade mit meiner Familie befand.

 

Rückblickend ist es für beide Seiten eine verpasste Chance. Mein Arbeitgeber hat eine sehr erfahrene, loyale und erfolgreiche Mitarbeiterin verloren. Darüber hinaus fehlte mit meinem Abgang ein Rollenmodell für zukünftige berufstätige Mütter im Unternehmen. Ich selbst habe zunächst die Chance auf die weitere Karriere in diesem Unternehmen aufgegeben, auch wenn ich Jahre später zurückgekehrt bin.

Es gibt eine Reihe von Dingen, die Unternehmen tun können, um sicherzustellen, dass Frauen und Männer mit Kindern nicht das Gefühl haben, vor die Wahl zwischen Familie und Karriere gestellt zu werden. Gerne nenne ich hierzu ein paar Vorschläge:

  1. Flexibilität bei der Arbeitszeit: Eine flexible Arbeitszeitgestaltung ermöglicht es den Mitarbeitern, ihre Arbeitszeiten an ihre familiären Verpflichtungen anzupassen, sei es durch Teilzeitarbeit, Job-Sharing, Gleitzeit oder flexible Arbeitszeiten.
  2. Home-Office-Möglichkeiten: Unternehmen sollten Home-Office-Optionen anbieten, um Eltern die Möglichkeit zu geben, von zu Hause aus zu arbeiten und ihre Arbeit mit ihren familiären Verpflichtungen in Einklang zu bringen.
  3. Unterstützung bei der regulären Kinderbetreuung: Unternehmen können ihren Mitarbeiter:innen helfen, indem sie Kinderbetreuungseinrichtungen am Arbeitsplatz oder in der Nähe des Arbeitsplatzes oder des Wohnorts anbieten oder finanzielle Unterstützung für die Kinderbetreuung bereitstellen.
  4. Notfallbetreuung für Kinder: Unternehmen können im Büro einen Raum zur Verfügung stellen, falls die reguläre Kinderbetreuung ausfällt und mal wieder kurzfristig eine Lösung gefunden werden muss. In diesem Raum können die Kinder dann gemeinsam betreut werden. In Zeiten von Home Office gibt es inzwischen auch Organisationen, mit denen Unternehmen kooperieren können. Diese Unternehmen garantieren kurzfristig eine Notfall-Kinderbetreuung.
  5. Stillraum: Mit der Einrichtung eines Still- und Ruheraumes machen Unternehmen klar, dass Sie den besonderen Bedürfnissen von Schwangeren und jungen Müttern Rechnung tragen.
  6. Mentoring und Coaching: Unternehmen können Mentoring- und Coaching-Programme anbieten, um Frauen und Männer mit Kindern dabei zu helfen, ihre Karriereziele zu erreichen und ihre Fähigkeiten zu entwickeln.
  7. Gleichstellung und Diversität: Unternehmen sollten sich für Gleichstellung und Diversität einsetzen, um sicherzustellen, dass Frauen und Männer gleiche Chancen auf Karriereentwicklung und Beförderung haben, unabhängig von ihren familiären Verpflichtungen.
  8. Elternzeit: Unternehmen sollten großzügige Elternzeitregelungen anbieten, die es Eltern ermöglichen, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, ohne ihre Karriere zu gefährden. Dies gilt gleichermassen für Mütter als auch für Väter.
  9. Kulturwandel: Unternehmen sollten eine Kultur fördern, die Familienfreundlichkeit und Flexibilität unterstützt und nicht diskriminiert oder Benachteiligungen aufgrund von familiären Verpflichtungen zulässt.
  10. Sichtbarmachen und Wertschätzen von elterlichen Kompetenzen: Eltern erwerben und verstärken gerade durch ihre Elternschaft zahlreiche Kompetenzen, die für Unternehmen durchaus interessant sind. Unternehmen können Mitarbeiter:innen, z.B. durch Coaching, dabei unterstützen, ihre besonderen Fähigkeiten wahrzunehmen und den Transfer dieser Kompetenzen ins Unternehmen ermuntern und würdigen. Zu diesen Kompetenzen zählen z.B. Organisationstalent, Stressbewältigung, Kommunikation, Empathie, Problemlösung, Teamarbeit und Führung, um einige zu nennen.

 

Diese Maßnahmen können dazu beitragen, dass Frauen und Männer mit Kindern nicht vor die Wahl zwischen Familie und Karriere gestellt werden und eine bessere Work-Life-Balance erreichen. Gleichzeitig fördern solche Angebote bei Mitarbeiter:innen das Gefühl, gehört, geschätzt und unterstützt zu werden. Dies wiederum motiviert die Mitarbeiter:innnen, sich ebenfalls zu engagieren, damit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie klappt und erhöht die Bereitschaft, länger im Unternehmen zu bleiben.

 

 

EBS: Als berufstätige Person mit Kindern hat man oft das Gefühl, weder dem Job, noch der Familie ausreichend gerecht zu werden. Welche Tipps können Sie denjenigen geben, um das Gedankenkarussell und das schlechte Gewissen zu besänftigen?

 

Dr. Nannette Reuther: Als erstes ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass es normal ist, dass man als berufstätige Person mit Kindern oft das Gefühl hat, dass man weder dem Job noch der Familie ausreichend gerecht wird. Viele Menschen haben dieses Gefühl und es ist eine Herausforderung, die viele Familien bewältigen müssen.

Aus meinem Erfahrungsschatz gebe ich gerne einige Tipps, die helfen können, das Gedankenkarussell und das schlechte Gewissen zu besänftigen:

  1. Prioritäten setzen: Setzen Sie klare Prioritäten und nehmen Sie sich bewusst Zeit für Ihre Familie und für Ihren Job. Planen Sie Ihre Zeit und stellen Sie sicher, dass Sie ausreichend Zeit für beide haben.
  2. Delegieren: Es ist wichtig zu lernen, Aufgaben zu delegieren. Wenn es um die Arbeit geht, kann dies bedeuten, dass Sie Aufgaben an Kolleg:innen abgeben oder ein Team aufbauen, das Ihnen hilft. Im Familienleben kann es bedeuten, dass Ihr Partner oder Ihre Kinder bestimmte Aufgaben übernehmen.
  3. Sich selbst vergeben: Es ist wichtig, sich selbst zu vergeben und nicht zu hart mit sich selbst zu sein. Niemand kann immer alles perfekt machen. Seien Sie nachsichtig mit sich selbst und geben Sie sich die Erlaubnis, Fehler zu machen.
  4. Unterstützung suchen: Es kann hilfreich sein, Unterstützung von Freunden, Familie oder professionellen Helfern zu suchen. Es kann eine Entlastung sein, wenn Sie jemanden haben, mit dem Sie über Ihre Gefühle sprechen können oder der Ihnen bei der Bewältigung von Aufgaben hilft.
  5. Unterstützung annehmen können: Es ist kein Zeichen von Schwäche oder «Nicht-gut-genug»-Sein, Unterstützung annehmen zu können, sondern ganz im Gegenteil ein Zeichen der Stärke. Wer Hilfe annehmen kann, der kann sich besser schützen. Es ist wichtig zu erkennen, dass es nicht immer möglich ist, alles alleine zu bewältigen. Indem Sie Unterstützung annehmen, können Sie sich entlasten und Zeit und Energie für andere wichtige Dinge freisetzen. Es ist auch eine Gelegenheit, um Ihre Beziehungen zu Freunden und Familienmitgliedern zu stärken, indem Sie sie in Ihr Leben und Ihre Herausforderungen einbeziehen.
  6. Erfolge erkennen und feiern: Vergessen Sie nicht, sich immer wieder einen Blick zurück zu gönnen und zu sehen, was Sie alles schon geschafft und bewältigt haben. Gönnen Sie sich selbst dafür eine Anerkennung und geniessen Sie den Moment.

 

Letztendlich ist es wichtig zu erkennen, dass es normal ist, sich als Eltern überfordert zu fühlen. Mit den richtigen Strategien und etwas Geduld und Selbstfürsorge können Sie das Gedankenkarussell und das schlechte Gewissen besänftigen und eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Familie finden.

 

Ein besonderer Tipp von mir ist: versuchen Sie Ihre Kinder aus der Perspektive eines Coaches zu begleiten. Stellen Sie sich Fragen wie z.B.: Was begeistert mich an meinem Kind? Wie soll mein Verhältnis zu meinem Kind sein, wenn es erwachsen ist? Was mache ich gerne mit meinem Kind und wie kann ich das noch häufiger machen? Was möchte ich in den nächsten sechs Monaten mit meinem Kind in unserer Beziehung erreichen? Eltern zu sein kann so viel einfacher sein, wenn wir uns auf unsere Kinder einlassen und ihnen mit Respekt begegnen.

 

 

EBS: Als berufstätige Mutter werden Sie sicherlich von allen Seiten eingespannt. Was machen Sie, wenn Ihnen alles zu viel wird und Sie eine kurze Auszeit benötigen, um runterzufahren?

 

Dr. Nannette Reuther: Das ist eine äußerst bedeutsame Frage, und ich möchte alle Eltern ermutigen, sich selbst diese Frage ebenfalls zu stellen. Um «gute» Eltern zu sein, müssen wir uns zuallererst um uns selbst kümmern und auf uns achten. Meiner Meinung nach liegt die vorrangigste Verantwortung eines Elternteils darin, sich um das eigene Wohlbefinden zu kümmern. Je mehr wir mit uns im Einklang sind und inneren Frieden finden, desto besser können wir uns um andere kümmern.

 

Stellen wir uns zum Beispiel folgende Situation vor: Die meisten von uns sind schon einmal mit dem Flugzeug gereist. Kennen Sie die Durchsage, die ungefähr wie folgt lautet: "Im Falle eines Druckabfalls werden automatisch Sauerstoffmasken von der Kabinendecke fallen. Ziehen Sie zuerst Ihre eigene Maske über Mund und Nase und helfen Sie dann mitreisenden Kindern."

Um es zusammenzufassen: Zuerst stellen wir sicher, dass wir selbst in guter Verfassung sind, damit wir dann anderen helfen können.

 

Mein Mann und ich haben festgelegt, dass wir jederzeit sagen können: "Ich brauche eine kurze Auszeit", ohne dass der Partner dies als Zweifel an unserer Entscheidung für Kinder auffasst. Es ist wichtig zu wissen, woher wir unsere Kräfte schöpfen können. Es kann ein Spaziergang oder Joggen in der Natur sein, Musik hören, ein Bad nehmen, abends mit einer Freundin oder einem Freund ausgehen oder einfach eine Kerze anzünden. Wichtig ist, dass wir herausfinden, welche Ressourcen uns Kraft geben. Die individuellen Faktoren, von denen dies abhängt, sind vielfältig.

 

Ich habe ein kleines Ritual, das ziemlich simpel ist: Wenn alles ein wenig überwältigend erscheint und ich nicht weiß, wo ich anfangen soll, koche ich mir zuerst eine Kanne Tee. Allein schon das Unterbrechen meiner Aktivitäten und das Setzen an einen Ort bewirkt eine gewisse Erleichterung. Das Halten der warmen Tasse in meiner Hand tut einfach gut. Dann greife ich zu Stift und Papier und schreibe ganz klassisch auf, was mir gerade durch den Kopf geht. Dadurch entlaste ich mein Gehirn von den vielen Gedanken und das Gedankenkarussel beruhigt sich. Anschliessend sortiere ich nach Dringlichkeit und Wichtigkeit und schliesslich suche ich nach den sogenannten «low hanging fruits», also dem, was relativ einfach und schnell erledigt werden kann und mir gleichzeitig ein Erfolgserlebnis verschafft. Dadurch schöpfe ich wieder Kraft und Mut, auch den Rest anzugehen. Und plötzlich sieht die Welt schon wieder besser aus.

Als Coach weiß ich, es ist eine Frage der Wahrnehmung: ich mag vielleicht nicht in der Lage sein, alle Probleme und Sorgen direkt zu zerstreuen, aber ich kann meine Einstellung und das, was es mit mir macht, überdenken und gegebenenfalls ändern.

 

Außerdem treibe ich regelmäßig Sport. In dieser Zeit bin ich weder Mutter noch Coach, sondern einfach ich selbst. Das tut gut. Meine Kinder sind mittlerweile auch in einem Alter, in dem ich ihnen sagen kann, dass es gerade ein bisschen viel für mich ist und ob sie mir helfen können. Es ist erstaunlich, welchen Effekt es auf Kinder hat, wenn Eltern keine Superhelden sein müssen, sondern auch ihre Schwächen haben. Oft haben die Kinder auch pfiffige Ideen oder Vorschläge, wie sie einander und auch uns Eltern helfen können, ohne dass die Mutter (oder der Vater) alles tun muss. Dabei lernen sie auch, selbstständig zu sein und sich gegenseitig zu unterstützen.

 

Abschließend lässt sich festhalten, dass es für Eltern von großer Bedeutung ist, sich selbst umsorgt und ausgeglichen zu halten. Indem wir auf unsere eigene körperliche und seelische Verfassung achten, sind wir in der Lage, uns optimal um unsere Kinder zu kümmern. Wie die Flugzeug-Ansage verdeutlicht, müssen wir zuerst sicherstellen, dass wir selbst "Sauerstoffmasken" anlegen, bevor wir anderen helfen können.

 

Es ist wichtig, Hilfe anzunehmen und Unterstützung zu suchen, wenn wir uns überfordert fühlen. Indem wir unsere eigenen Kraftquellen identifizieren und regelmäßig Zeit für uns selbst nehmen, können wir unser Wohlbefinden stärken und dadurch auch eine bessere Fürsorge für unsere Kinder gewährleisten. Indem wir offen über unsere Grenzen sprechen und unsere Schwächen zeigen, geben wir unseren Kindern die Möglichkeit zu lernen und selbstständig zu werden. Indem wir also auf uns selbst achten, können wir die Eltern sein, die wir sein möchten.

 

 

Nannette Reuther ist diplomierter Systemischer Coach, Executive Coach, Solution-Focussed Coach, Associate Certified Coach (ACC), Mitglied der International Coaching Federation (ICF), Mitglied des European Mentoring and Coaching Councils (EMCC), Certified Health Coach.

Hier finden Sie alle Informationen zur EBS Coaching & Leadership Hub Conference.

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